erzaehlen.de

Mit Worten Welten erschließen


Museen verstehen sich schon seit langem nicht mehr als Orte der Zurschaustellung von Sammlungen (Kuriositäten- oder Wunderkammern). Neben Sammeln, Bewahren und Forschen wurde ab den 60er Jahren im Rahmen der Bildungsreformbewegung das Museum mehr und mehr als Lernort oder Bildungsstätte verstanden. Die Museumspädagogik wurde institutionalisiert. Hauptsächlich Schulklassen wurden angesprochen, das Museum wurde als Außenstelle der Schule verstanden, die Exponate als pädagogisches Anschauungsmaterial.

Seit den 90er Jahren hat sich der Fokus der Museums- und Ausstellungsmacher sowie der Museumspädagogik auf eine breitere Besucherorientierung hin verlagert, so dass man heute schon von Museumstourismus (welche Ausstellung hat die meisten Besucher?) spricht und das Museum mehr und mehr zum "Erlebnispark" mit multimedialen Angeboten wird.


Was aber schon immer bei der Vermittlung von Museumsinhalten im Vordergrund stand, ist das Erzählen.

Denn die Dinge in einem Museum sind nicht nur Geschichte, sie erzählen auch Geschichte(n) oder liefern vielmehr dem Subjekt einen Redeanlass“ 1


Keine Museumsführung kommt ohne narrative Elemente aus. Wen wundert es also, wenn Publikumsangebote im Museum lauten:


"Gesichter im Museum erzählen" - Kunsthistorisches Museum Wien

"Tierdarstellungen im Museum erzählen - Germanisches Nationalmuseum

"Was Steine erzählen" - Gellert Museum Hainichen

"Von Geschichten, die alte Häuser erzählen" - Freilichtmuseum Beuren


selbst die


"Fossilien im Museum erzählen"- Senckenberg Museum Frankfurt

oder allgemein "Ausstellungsstücke" erzählen.


Schön wäre es! Die Sammlungsstücke sind stumm, nur durch Nachforschungen können sie etwas preisgeben. Dazu bedarf es eines Vermittlers, der in schriftlicher oder mündlicher Form, oder mit den Mitteln der visuellen Kommunikation die Ergebnisse weitergibt.


Die Museumsführer und Museumspädagogen sind Erzähler, mit unterschiedlichen Qualitäten.


- ErzählerInnen im Museum

Museumspädagogen und Wissenschaftler erzählen Objekt- oder Sammlungs- oder Kontext und Ausstellungsbezogen.


- Zeitzeugen erzählen im Museum

Häufig in Heimatmuseum erzählen Augen- und Zeitzeugen ihre Erlebnisse, erzählen aus ihrer Kindheit, Erlebnisse aus dem Stadtteil, Geschichten aus der Arbeitswelt.


- Professionelle ErzählerInnen im Museum

Sie haben die Museen als Auftrittsorte entdeckt.

Ein Erzählort den Menschen aufsuchen, die Zeit und Ruhe haben, Ästhetik schätzen und sich mit neuen unbekannten Dingen und Konstellationen auseinandersetzen wollen.

Die Ausstellungsstücke und Schaubühnen sind häufig Dekoration im Hintergrund. "Märchen aus Afrika in der Afrikaabteilung" etc.


- Professionelle ErzählerInnen, die mit kulturhistorischen oder anthropologischen Wissen erzählen

Sie haben sich mit der Ausstellung beschäftigt und informiert oder stammen selber aus der dargestellten Kultur, beherrschen ein Handwerk oder ein Kunsthandwerk das sie vorführen können und verstehen Geschichten, Märchen und Mythen, Sagen und Legenden als Bestandteil des kulturellen Erbes - sie erzählen, führen vor und informieren.


- Erzählen und Informieren im Tandem

ErzählerInnen, die Ihre Geschichten erzählen und von einem Wissenschaftler oder Museumspädagogen begleitet werden, die zusätzliches Hintergrundwissen vermitteln.


Ausblick

Da hauptsächlich die Museumspädagogen und Wissenschaftler im Museum die Ausstellungsinhalte vermitteln, wäre es wünschenswert, neben der fachlichen und pädagogischen Kompetenz bei ihnen eine Erzählkompetenz auszubilden.

Spezielle Fortbildungen von professionellen Erzählern für Museumsmitarbeiter wären wünschenswert. "Erzählen im Museum und narrative Elemente in der Wissensvermittlung" oder eine speziell auf eine bestimmte Ausstellung konzipierte Erzählfortbildung könnten die Inhalte sein.


Zu meiner Tätigkeit

Meine kontinuierliche museumspädagogische Arbeit liegt nun schon einige Jahre zurück, als Museumspädagoge (Honorarkraft) im Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim in den Abteilungen: Südsee, Nordamerika, Kanada, Grönland und Afrika sowie in der Archäologie . Dort begann ich 1984 Geschichten aus unterschiedlichen Kulturen zu erzählen (mit vielen Fragezeichen).

Später dann im Kindermuseum des Historischen Museum Frankfurt sowie im Kurpfälzischen Museum Heidelberg.

Momentan sind es nur noch gezielte Angebote, zu denen ich geladen werde, z.B. "Märchen der Inuit" und "der Forscher und Geschichtensammler Knud Rasmussen" im Begleitprogramm einer Grönlandausstellung im Stuttgarter Lindenmuseum, oder kulturhistorische Spaziergänge z.B. „Vom Hand- und Mundwerk“ mit Geschichten und Informationen im Textilmuseum Heidelberg etc.


Da ich das Museumsgeschehen nur noch am Rande mitbekomme, ist meine kleine Übersicht bestimmt nicht aktuell und unvollständig. Über Korrekturen und Austausch würde ich mich freuen.


1 vgl. S.22 Marget Westerwinter/ Museen erzählen/ Sammeln, Ordnen und Repräsentieren in literarischen Texten des 20 Jahrhundert/ November 2008, ISBN 978-3-8376-1046-8


Literatur:
- Positionspapier der Museumspädagogik: https://www.museumspaedagogik.org/PospapierMuseumspaed06.pdf


- Märchen in Museen Schriftenreihe der Märchenstiftung Walter Kahn 1998



Dirk Nowakowski, Edingen im Mai 2011

Kontakt: DirkNowakowski(rollmops)gmx.de

Erzählen im Museum


von Dirk Nowakowski