erzaehlen.de

Mit Worten Welten erschließen


Welche Kreise das Erzählen von Geschichten eines Tages ziehen würde, hätte ich mir zu Anfang meiner Karriere als Erzähler nicht träumen lassen: dass das Erzählen nicht nur auf der Bühne, in Schulen, Bibliotheken und Theatern als eigenständige Form der Kommunikation und des künstlerischen Ausdrucks Beachtung findet, sondern auch in Kursen für ArchitektInnen, JournalistInnen und - NaturführerInnen.


Unter anderem der langjährigen Zusammenarbeit mit der Akademie Remscheid habe ich es zu verdanken, dass ich im Frühjahr 2010 bei einem ganz besonderen Projekt mitwirken durfte: dem Flüsterwald. So heißt ein Konzept der Biologischen Station Mittlere Wupper in Zusammenarbeit mit über zehn Vereinigungen, Kommunen und Verbänden für ein Flora-Fauna-Habitat (spezielle Form des Naturschutzgebietes) im Tal der Wupper.


Der Grundgedanke dieses Konzeptes ist die Steuerung der Besucherströme in einem ökologisch sensiblen Raum, der dafür in drei Erlebniszonen mit jeweils spezifisch geregelten Zugangsbeschränkungen eingeteilt wird. Um dafür Verständnis zu schaffen, sollten Naturführungen konzipiert werden, die nicht nur wissenswerte Fakten über Tier- und Pflanzenwelt und Naturschutz unter die Leute bringen, sondern über spielpädagogische und erzählende Momente eine über den Wissensdurst hinausreichende emotionale Beziehung zur Landschaft und der sie bewohnenden Lebewesen schaffen und somit eine Identifikation der TeilnehmerInnen mit den Belangen des Naturschutzes erreichen.


Im März 2010 trafen sich ein Biologe der Biologischen Station, deren Leiter, eine Spielpädagogin und ein Geschichtenerzähler, um gemeinsam ein völlig neues Konzept für umweltpädagogische Belange auszuarbeiten: es entstand der WupperTell, der lehrend, erzählend und spielend die Natur erfahren lässt!


WupperTell kann werden, wer sich zu einem insgesamt 92-stündigen Lehrgang in vier Blöcken anmeldet, auf dem sie in Sachkunde, narrativen und spielpädagogischen Methoden fit gemacht werden. Am Ende der Fortbildung wird das WupperTell-Zertifikat nur denjenigen erteilt, die in einer eigenständig erarbeiteten Sequenz die erlernten Fähigkeiten überzeugend anwenden.


Besonders stolz sind wir darauf, dass es uns gelungen ist, die spielpädagogischen und narrativen Methoden nicht nur als Lehrgangsinhalt anzubieten, sondern auch gleichzeitig zu gestaltenden Elemente der Lehrgangsstruktur werden zu lassen: jeder Lehrgangstag wurde mit einem Kapitel einer speziell ausgearbeiteten Rahmenerzählung begonnen und beendet und mit Spielen zum Tagesthema begleitet.


Der Andrang zum ersten Kursangebot war überwältigend, die Begeisterung und das Engagement der TeilnehmerInnen beispielhaft. Dass das Konzept wohl im Sinne der Erfinder aufgegangen ist, zeigen jetzt, ein Jahr später, die zahlreichen verlockenden und phantasievollen WupperTell-Führungen, die die Absolventen des ersten Lehrgangs sich erarbeitet haben. Siehe hier.


Festzuhalten bleibt, dass die TeilnehmerInnen mithilfe eines innovativen Lehrgangskonzeptes in die Lage versetzt wurden, wiederum höchst innovative Naturführungen anzubieten, die bei der Bevölkerung große Resonanz finden. Das Erzählen von Geschichten hat dazu einen wesentlichen Teil beigetragen.



Martin Ellrodt, Fürth im Juni 2011

Kontakt: martin(rollmops)ellrodt.de

WupperTell

- fließend erzählen


von Martin Ellrodt